king of the road mit dem Stöckli e.t.

Über 12 Tage durfte ich das neue Stöckli e.t. ausgiebig testen. Als Neuling im Bereich der elektrifizierten Fortbewegung mit Tretunterstützung war ich echt gespannt, was mich dabei erwarten wird. Gerne gebe ich dazu meine Eindrücke weiter.

Erster Eindruck

Das Design wirkt auf den ersten Anblick solid und puristisch, wenn nicht gar massiv. Ein stabiler Alurahmen, der Akku, der zweitstärkste im Sortiment, gut sichtbar (weil breit) in der Sattelstütze verbaut, dazu dicke Ballonreifen und Scheibenbremsen. LED-Beleuchtung vorn und hinten, der Nabenmotor auf der Hinterachse und elf Gänge für verschiedenes Gelände runden das Gesamtpaket ab. Obwohl viel Technik drin steckt, sieht man davon praktisch nichts, und das gefällt mir. Mit einfachen, soliden Dingen kann man ja nichts falsch machen, so die Vermutung.
Nach den ersten Metern ist das breite Lächeln im Gesicht nicht zu unterdrücken. Mit jedem Tritt in die Pedale leistet der E-Motor kontinuierlich bis 45 km/h Schub – echt  cool! Man fühlt sich wie der „king of the road“ – insbesondere innerorts oder gegenüber den Rennvelofahrern, die ich meist stehen lasse. Wieso meist? Dazu später mehr. Das Fazit nach den ersten Metern fällt sehr positiv aus. Das e.t. wird zur neuen Erfahrung der Fortbewegung.

Akkuleistung

Nach Empfang und Heimweg mit dem e.t. ist der Akku rund zur Hälfte leer. Ich habe 25 km zurückgelegt. Nun, vielleicht war er ja nicht ganz geladen. Innert zwei bis drei Stunden ist der Akku vollgeladen und bereit für die nächste Herausforderung. Bei der ersten Fahrt zur Arbeit (25 km) wage ich es allerdings nicht, das Netzteil zu hause zu lassen. Es war die richtige Entscheidung. Der Akku ist noch bei rund 2/5 der ursprünglichen Ladung. Wählt man die stärkste Unterstützungsstufe aus fünf möglichen, geht das auf Kosten der Leistung. Der Heimweg sieht trotz 250 zu überwindenden Höhenmetern ziemlich ähnlich aus. Dazu der Vergleich einer Ausfahrt zu Freunden über hügeliges Gelände. Dies lässt die Akkuladung allerdings relativ rasch schmelzen. Nach 32 km und einer leeren Akkuanzeige (inkl. Warnung, dass der Akku unter 10% ist) bin ich morgens um halb eins doch recht froh, dass ich es gerade noch geschafft habe. Un dies, obwohl ich auf dem Hinweg extra mehr Eigenleistung in die Fahrt investiert habe.
Das Netzteil ist zwar relativ voluminös, dafür leicht und somit mit wenig Zusatzgewicht zu transportieren.

Antrieb

Wegen Aussetzern im Antrieb hat mir Stöckli ein Ersatz-e.t. zur Verfügung gestellt. Doch auch bei diesem Modell ist es vorgekommen, dass der Kontakt zum Akku urplötzlich weg war. Gemäss Stöckli ist man derzeit dabei, diesem Problem mit einer Führungsschiene im Rahmen entgegenzuwirken. Die Ursache in meinem Fall ist womöglich auf den eher stark ausgezogenen Sattel zurückzuführen. Mit dem grösseren Akku wäre dieses Problem behoben, sichert man mir zu.
Wahrscheinlich aus dem selben Grund stelle ich von Zeit zu Zeit fest, dass der Leistungsfluss variiert. Plötzlich muss ich trotz ebenem Gelände stärker in die Pedale treten wie eine Sekunde zuvor.
Ebenfalls fällt mir auf, dass die Pedalen in den kleinen Gängen viel Spiel haben. Dies ist gerade bei längeren steilen Fahrten etwas unangenehm.

Display

Das fein aufgelöste und abnehmbare Farbdisplay liefert mir die wichtigsten Informationen meiner Fahrt – Geschwindigkeit, Reichweite und Leistung. Eine individuelle Einstellung des Displays ist ebenfalls möglich. Mittels App können die Tour–Daten via Bluetooth ans Handy übermittelt werden. Man muss sich derzeit allerdings mit groben Gesamtdaten zufrieden geben. Eine Anbindung an Apple Health ist nicht möglich. Ebenso fehlen weitere Funktionen wie Navi-Übertragung oder ähnliches. Das wäre ein wirklich hilfreicher Schritt. Ebenso vermisse ich auf dem Hauptdisplay meine aktuell zurückgelegte Strecke. Achtung auch bei der Anzeige der Reichweite: Sobald eine Steigung zu bewältigen ist, schmilzt der Aktionsradius schnell. Ein weiterer Komfort wäre auch, wenn das Display mobil genutzt werden könnte. Derzeit kann es nur am Fahrrad mit vollem Akku betrieben werden.
Die Wahl der Unterstützung und die Bedienung des Displays erfolgt ausschliesslich über die Wähltasten am linken Griff. Gerade bei Fahrten in der Dunkelheit wird die Bedienung aber zur Herausforderung. Ein Display mit Touch-Funktion würd diesem Umstand elegant Abhilfe schaffen.

Alltag

Allgemein lässt sich feststellen, dass sich der Blickwinkel auf die Velo-Infrastruktur mit der hohen Geschwindigkeit drastisch verändert. Obwohl sich das Velonetz hierzulande auf einem hohen Niveau befindet, bewältigt man mit dem Stöckli einiges mehr an Netzkilometern wie mit einem normalen Velo. Unebenheiten, fehlende Velo-Beschilderungen, Velofurten à gogo oder auch Netzlücken in stauanfälligen Abschnitten stören die flotte Fahrt im dichteren Agglo-Gebiet. Doch ich klage hier auf hohem Niveau.
Fahrten mit 45 km/h sind zügig. Da reicht die eher feine Klingel leider nicht, um Fussgänger rechtzeitig auf mein Herannahen aufmerksam zu machen. Eine lautere Klingel müsste unbedingt noch aufgerüstet werden.
Die Kombination aus Sattel und Akku ist gut gelungen. Allerdings frage ich mich, ob bzw. wie ein wirksamer Diebstahlschutz für den Akku gewährleistet werden kann. Ich parke mein Velo somit nur ungern für längere Zeit im öffentlichen Raum. Gleiches gilt für das Bike selber. Schlösser sind schnell geknackt und in Anbetracht der Anschaffungskosten zwischen CHF 5’000 und 6’000 drängt sich schon die nächste Versicherung auf.
Das Stöckli e.t. unterstützt bis 45 km/h. Leider gilt dies auch für Abwärtsfahrten. Als Fahrer fühle ich mich geradezu gestraft, wenn ich den Berg runtersause und mittrete und mich das Bike über 45 km/h abbremst. Verzichte ich aufs Mittreten sind dann paradoxerweise höhere Tempi möglich. Gerade bei leichten Gefällslagen ist dieser Umstand etwas unschön. So überholen mich dann wieder alle Rennvelofahrer mit einem breiten Lachen.
Das e.t. ist mit einer guten Front- und Heckbeleuchtung ausgestattet.

Wartung und Unterhalt

Ein starker Einsatz erfordert Pflege. Da die Kette einer relativ hohen Last ausgesetzt ist, wird ein Kettenersatz je nach Kettentyp alle 800 bis 1’500 km erforderlich. Bei einem Arbeitsweg von 15 km steht ein Service somit spätestens nach zwei Monaten an.
Hinzu kommt der Service an den Scheibenbremsen. Dieser Intervall hängt allerdings davon ab, wie oft bzw. wie stark gebremst wird.
Insgesamt machen die Wartungskosten einen deutlich spürbaren Anteil an jährlichen Aufwendungen aus. Diese gilt es in der Gesamtrechnung unbedingt zu berücksichtigen.

Fazit

Mit dem Stöckli e.t. kann ich Distanzen bis 25 km/h in 35 – 40 Minuten bewältigen, ohne dass ich im Anschluss gleich schweissgebadet unter die Dusche rennen muss. Das E-Bike wird damit zum echten Konkurrenten für Bus / Bahn und Auto. Und wenn nicht zum Konkurrenten, dann zumindest zur Ergänzung für Menschen, die sich auf dem Weg etwas bewegen wollen. Gefühlt ist man mit dem e.t. mindestens doppelt so schnell unterwegs wie mit einem herkömmlichen Velo. Dabei stehen für mich folgende Vorteile im Vordergrund:

+ Akkureichweite von ca. 35 km bei voller Unterstützungsleistung im leicht hügeligen Gelände (getestet wurde der mittlere Akku mit 724 wH)
+ Solide Bauweise, schlichtes Design
+ Headshock-Federung der Frontgabel
+ 45 km/h werden geradeaus spielend erreicht, ohne dass man dabei stark ins Schwitzen kommt
+ Leichtes (allerdings etwas grosses) Netzteil kann gut transportiert werden
+ Hochauflösendes Display

Auf den 300 Testkilometern hat mich das e.t. nie im Stich gelassen (bis auf einen Platten, der zählt aber nicht). Verbesserungsbedürftig sind aus meiner Optik folgende Punkte:

– Akku-Kontakt und Leistungsfluss waren nicht immer optimal
– Ab 45 km/h wird man beim Mittreten ausgebremst
– Diebstahlsicherung von E-Bike und Akku müsste optimiert werden
– Anschaffungspreis von CHF 5’000 bis 6’000 ist relativ hoch
– Konnektivität des Displays hat noch nicht alle Möglichkeiten ausgeschöpft
– Lebensdauer der Kette

Kurzum erhalte ich mit dem Stöckli e.t. einen leistungsfähigen Partner, auf den Verlass ist. Werden Akku-Kontakt und Leistungsfluss noch optimiert, fehlt nicht mehr viel und ich bin mit dem e.t. definitiv „king of the road“!

Impressionen:

Video auf youtube:
https://youtu.be/Qms7GhiV-eA

 

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