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Social Networks "Für Trendsetter verliert Facebook an Reiz"

Mit ihrem Kurzfilm "Farewell Facebook" brachten Joep van Osch und Casper Eskes Nutzer weltweit zum Grübeln: Wie sinnvoll ist das überhaupt, was wir bei Facebook tun? Im Gespräch machen die Nachwuchsfilmer klar, dass sie nicht generell gegen Social Networks sind - nur gegen hirnlose Nutzung.
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SPIEGEL ONLINE: Ihr Film dreht sich um Facebook, stellt aber das Grundkonzept der Social Networks in Frage. Was missfällt Ihnen daran?

Van Osch: Anfangs fand ich Facebook großartig. Immer darüber auf dem Laufenden zu sein, was Freunde gerade tun, und mit ihnen seine Gedanken zu teilen, klang klasse. Nach einer Weile missfiel mir, wie viel Zeit ich online verbrachte, es wurde zu einer Art Sucht. Das liegt daran, dass man bei jedem Einloggen alle Beiträge seiner Freunde in einer gigantischen Übersicht serviert bekommt. Mich trieb das dazu, alles zu lesen und - schlimmer noch - mein Profil und mein Leben mit dem anderer zu vergleichen. Meiner Meinung nach ist das nicht gerade gesund.

Eskes: Facebook versorgt dich mit dieser Riesenladung Information, und der Anteil, der davon wirklich interessant ist, ist sehr, sehr niedrig. Das meiste ist Blabla. Die Tatsache, dass die meisten Facebook-Freunde keine echten Freunde sind, macht deren persönliche Angelegenheiten für mich weniger interessant. Und mit meinen echten Freunden, für deren persönliche Angelegenheiten ich mich interessiere, kommuniziere ich kaum per Facebook, weil ich sie die ganze Zeit sehe.

SPIEGEL ONLINE: Ihr Film ist keine Anklage, sondern ein humoriger Kommentar. Was ist lustig an der Facebook-Nutzung?

Van Osch: Alles! Wenn man sich Facebook-Kommunikation auf die Außenwelt übertragen vorstellt, erscheint alles bizarr. Ich ertappte mich oft dabei, dass ich über Status-Updates von Freunden lachen musste. Oder nehmen Sie mal das: jemanden darum zu bitten, ein zwischenmenschliches Verhältnis wie das zwischen Vater und Sohn durch Anklicken eines Facebook-Buttons zu bestätigen. Das ist dermaßen deplatziert, dass ich einfach lachen muss.

Eskes: Das Gros der Kommunikation ist wenig interessant, aber die Quantität und Frequenz zugleich so hoch. Unter dem Strich schreit also jeder dort so laut er kann, aber ohne dabei etwas zu sagen. Ich finde das lustig.

SPIEGEL ONLINE: Könnte man das denn besser machen?

Eskes: Nicht alles in Bezug auf Social Networks und Facebook ist schlecht, absolut nicht. Ich schätze die Möglichkeiten, die sie im professionellen Bereich eröffnen, besonders in einer in so hohem Maß auf Beziehungen bauenden Welt wie der des Films. Im Privatleben sind sie eine gute Methode, sich mit guten Freunden und den nächsten Verwandten an anderen Orten der Welt auszutauschen. Deshalb mag ich beispielsweise LinkedIn, das sich auf die professionellen Netzwerke konzentriert. Und für die über die Welt verstreuten Menschen wäre eine Mini-Version von Facebook genug.

Van Osch: Ich hab's noch nicht ausprobiert, aber Google+ scheint ein paar interessante Features zu bieten. Wie beispielsweise nicht alle Freunde in einer gigantischen Liste zu führen, sondern stattdessen getrennte Kreise von Freunden und Kollegen bilden zu können. Niemand will doch die gleichen Dinge mit seiner Freundin, seiner Mutter oder seinem Chef austauschen. Für mich ist auch das aber nicht Grund genug, dem Netzwerk beizutreten. Es ist enorm, wie viel Zeit ich heute spare, weil ich nicht online bin.

Eskes: Ich glaube auch, dass Google+ eine Zukunft hat, was zeigt, dass die Menschen nicht alles mit jedermann teilen wollen.

SPIEGEL ONLINE: Sie bezweifeln den Sinn der Networks an sich. Finden Sie das auch in Ihrem Umfeld? Gibt es Leute, die wie Sie die Nase voll haben vom Networking?

Van Osch: Ja, der Neuigkeits-Appeal und der Hipness-Faktor der Netzwerke ist verflogen. Gerade für junge Trendsetter verliert Facebook an Reiz, weil es etabliert ist. Als wir im Frühjahr 2010 unseren Film machten, hörte man sehr wenig Stimmen gegen Networks. Inzwischen haben immer mehr meiner Freunde die Nase voll. Viele haben dafür andere Gründe als ich, sie sorgen sich um ihre Privatsphäre oder suchen ganz einfach nach einem neuen Spielzeug.

Eskes: Einige meiner Freunde waren nie auf Facebook oder haben einen Geister-Account, den sie nicht wirklich nutzen. Andere veröffentlichen jedes Detail, egal wie intim. Zwischen den Extremen gibt es eine große Mitte, in der immer mehr Leute ihre Facebook-Aktivität einschränken oder beenden. Das ist definitiv ein Zeichen dafür, dass die bisherige Art, Facebook zu nutzen, die Leute zunehmend langweilt.

SPIEGEL ONLINE: Aber ist es denn überhaupt vorstellbar, dass es noch einmal einen Retro-Trend geben könnte, in dem Menschen sich von den Networks und vom Internet abwenden?

Van Osch: Aber natürlich, sehr sogar! Man kann beobachten, wie das ins Rollen kommt. Weblogs organisieren "Offline"-Partys für ihre Leser. Handys werden ausdrücklich ohne Extra- und Internetfunktionen auf den Markt gebracht. Ich glaube aber, dass die meisten Leute dabei bleiben werden, ihre digitalen Bequemlichkeiten zu nutzen.

Eskes: Nein! Das ist absolut nicht vorstellbar. Aber ich glaube, dass es Menschen schon sehr bald langweilen wird, auf verschiedensten Social Networks sinnlose Informationen auszutauschen. Sie werden sich dann auf ein oder zwei Dienste konzentrieren, die ihre Bedürfnisse bedienen. Das hat schon begonnen.

SPIEGEL ONLINE: Aber Facebook wächst, während die Konkurrenz mächtig Federn lässt. Sind Sie mit Ihrer Kritik auf dem Holzweg?

Van Osch: Es stimmt, derzeit ist Facebook wirklich populär. Aber ich wollte Leute ja auch nicht dazu bringen, die Nutzung von Facebook einzustellen. Ich wollte, dass sie über meine Probleme dort lachen können und über ihr eigenes Verhalten dort nachdenken. Facebook selbst ist nichts Schlechtes, solange wir unseren gesunden Menschenverstand nicht verlieren.

SPIEGEL ONLINE: An welche Trends bei Social Media glauben denn Sie zwei Skeptiker?

Eskes: Wahrscheinlich werden die großen Netzwerke weiter wachsen, wenn es ihnen gelingt, die Bedürfnisse ihrer Nutzer zu befriedigen. Sie werden sich verändern, in ein paar Jahren völlig anders aussehen, aber wir werden sie noch intensiver nutzen als heute.

Van Osch: Facebook hat gerade eine Partnerschaft mit Skype geschlossen. Mehr solcher Integrationen anderer Anwendungen werden folgen. Sie werden wachsen.

SPIEGEL ONLINE: Ihr Film war ein studentisches Projekt. Wie wurde er aufgenommen?

Van Osch: Viel besser, als wir erwartet hatten. Eine Menge Leute haben mir gesagt, sie fühlten sich in ihrem Facebook-Verhalten ertappt und ein wenig beschämt.

Eskes: Wir haben eine Menge Reaktionen von Leuten bekommen, die selbst ihre Zweifel hatten. Zurzeit gewinnt er an Aufmerksamkeit jenseits der niederländischen Grenzen, Canal+ in Frankreich hat Interesse, einige Filmfestivals und nun SPIEGEL ONLINE...

SPIEGEL ONLINE: Und Noten? Sind Sie gut weggekommen?

Eskes: Noten im eigentlichen Sinn gibt es nicht an unserer Filmschule. Aber die Kritik fiel sehr gut aus. Jetzt touren wir mit dem Film über mehrere Festivals...

Van Osch: ...und haben kürzlich einen Preis gewonnen! Mit dem Preisgeld machen wir einen neuen Film.

SPIEGEL ONLINE: Bleibt eine Frage, die der Film nicht beantwortet: Joep, haben Sie Ihrem Vater eigentlich bestätigt, dass er tatsächlich Ihr Vater ist?

Van Osch (lacht): Nein, das habe ich tatsächlich nicht. Ich hab ihm stattdessen einen dicken Drücker gegeben, im richtigen Leben.

Das Interview führte Frank Patalong

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