Der digitale Videorecoder und die Angst vor dem Verbraucher

Rund 20 Prozent der Nutzer von digitalen Videorecordern, die von Firmen wie TiVo oder Sonicblue (ReplayTV) kommen, schauen einer Untersuchung zufolge keine Werbung mehr.

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Von
  • Verena Wolff
  • dpa

Die Gefahr, die die kommerziellen Fernsehsender auf sich zukommen sehen, versteckt sich in einer kleinen Kiste, die sich äußerlich kaum von herkömmlichen Videorecordern oder DVD-Spielern unterscheidet. Ihr Inneres, zu dem unter anderem etwa eine 40 Gigabyte große Festplatte gehört, auf der Platz ist für bis zu 40 Stunden aufgezeichneten Fernsehprogramms, ist der Werbeindustrie ein Dorn im Auge. Sie fürchtet um ihre Einnahmen, wenn die digitalen Videorecorder (DVR) Einzug in deutsche Wohnzimmer halten. In Amerika haben nach schleppendem Anlauf inzwischen immer mehr Menschen einen DVR im Wohnzimmer -- insgesamt sollen es in den USA rund eine Million Fernsehzuschauer sein. Marktforscher schätzen das Verbreitungspotenzial für die Geräte auf das Fünfzigfache in den nächsten fünf Jahren. Rund 20 Prozent der Nutzer dieser Geräte, die von Firmen wie TiVo oder Sonicblue (ReplayTV) kommen, schauen einer Untersuchung zufolge keine Werbung mehr. "Bislang ist der Werbeträger Fernsehen aber noch nicht gefährdet", sagt Volker Nickel, Geschäftsführer des Zentralverbands der deutschen Werbewirtschaft.

DVRs werden zwischen Empfangsvorrichtung und Fernseher geschaltet. Auf das aufgezeichnete Fernsehprogramm kann bereits während der Aufnahme zugegriffen werden. "Während hinten noch aufgezeichnet wird, kann man von vorne schon gucken", sagt Toby Schuster, der für die europäische Markteinführung bei TiVo zuständig ist. Auch kann das laufende Fernsehprogramm unterbrochen werden -- etwa, wenn das Telefon klingelt oder das Magenknurren den Programmgenuss stört. "Außerdem hat die Suche nach leeren Videokassetten ein Ende" -- allerdings nur, bis man einen herkömmlichen Videorecorder an den DVR anschließt, um ein aufgezeichnetes Programm zu archivieren.

Die Funktion aber, die besonders die Werbetreibenden aufschreckt, ist die Möglichkeit, auf Knopfdruck die Werbepausen zu überspringen. Denn dadurch wird die Logik der Werbeindustrie unterlaufen: Hohe Werbepreise für Programme zur besten Sendezeit sind möglicherweise nicht mehr gerechtfertigt, wenn die Zuschauer die Sendungen am Mittag sehen oder die Werbung komplett überspringen. "Bislang hat sich gezeigt, dass die meisten Zuschauer das Programm aktuell gucken", sagt Nickel. "Außerdem kennen wir die Debatte ja schon von der Einführung des Videorecorders." Wegen ständiger technischer Veränderungen müssen sich die Werbetreibenden nach Nickels Ansicht ohnehin auf Veränderungen einstellen. "Aber das ist auch eine Chance für ganz neue Formen der Werbung" -- erste Versuche, etwa Sendungen ohne Intervention und explizite Einwilligung des Users einfach vom Anbieter gesteuert durch den digitalen Videorecoder aufzeichnen zu lassen, stießen aber nicht gerade auf Begeisterung bei den Anwendern.

Ein DVR soll aber mehr sein "als die silberne Kiste im Wohnzimmer", betont Schuster. Die amerikanische Version von TiVo ist mit dem Telefonnetz verbunden und lädt einmal pro Nacht automatisch das aktuelle Fernsehprogramm für die folgenden zwei Wochen herunter. Diese virtuelle Fernsehzeitung ermöglicht es dem Gerät auch, dass es sich die Sehgewohnheiten des Nutzers merkt und dem Schema entsprechend auch bislang nicht aufgezeichnete Sendungen vorschlägt. Diese komfortable Funktion fehlt der europäischen Ausgabe des Geräts gänzlich. Bislang sei der DVR zu teuer gewesen, und "die Konsumenten waren noch nicht weit genug für diese Technologie", sagt etwa Klaus Petri, Firmensprecher bei Philips. Nun kostet der DVR 1200 Euro und kommt im Spätsommer auf den deutschen Markt -- hauptsächlich für die Nutzer, "die ein unvorhersehbares Leben führen und viel unterwegs sind". (Verena Wolff, dpa) / (jk)